Move & Make | 6
Shownotes
Rückzug, Aufbruch, Neubeginn – in ihrer letzten Lebensphase erfindet sich Helen Frankenthaler noch einmal völlig neu. Statt New Yorker Szene: japanische Holzschnitte, Stille und radikale Präzision. Auf einer Insel in Connecticut malt sie bis ins hohe Alter weiter – mit ruhiger Hand, aber ungebrochener Neugier. Ihre späten Werke zeigen: Wahre Größe entsteht nicht im Rampenlicht, sondern in der Konsequenz. Eine Folge über das Weitermachen, wenn andere aufhören – und darüber, warum Helen Frankenthalers Kunst heute aktueller ist denn je.
Executive Producerinnen für das Museum Reinhard Ernst Kathrin Grün, Ines Gutierrez
Executive Producer Janis Gebhardt
Producerin Helene Feldmeier
Host Salwa Houmsi
Autoren Kilian Mazurek, Janis Gebhardt
Supervising Sound Designer Sufian Auda, Florian Balmer
Sound Designer Fanny Huder, Carl Hangschlitt
Produktionsassistenz Alexander Hemsen
Mix und Master Fabian Klinke
Grafik Vanessa Neumann
Mitarbeit Philippa Halder
Social Media Redaktion Vanessa Neumann Aksinya Dorn
Sprachregie Friederike Wigger
Mit Reinhard Ernst, Oliver Kornhoff, Lea Schäfer, Mary Gabriel, Katy Hessel, Elizabeth Smith, Lise Motherwell, John Elderfield, Florian Illies, Jason Ysenburg
Es sprachen Ulrike Hübschmann, Timo Weisschnur, Marc Ben Puch, Kristin Suckow, Walburga Raeder, Velia Krause, Olaf Baden, Irina von Drisch, Benjamin Stöwe, Alix Dudel
All paintings shown by Helen Frankenthaler are from the Reinhard Ernst Collection, Wiesbaden: After Hours (1975); For Hiroshige (1981); Lunar Avenue (1975); Pyramid (1988); Sea Level (1976); Second Wind (1974); Spanning (1971); Untitled(1959/60) For all works • Helen Frankenthaler Foundation, Inc. / VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Cover Artwork Helen Frankenthaler, August 1973. Helen Frankenthaler Foundation Archives, New York. Photograph by Edward Youkilis. Artwork © 2025 Helen Frankenthaler Foundation, Inc. / VG Bild-Kunst, Bonn. Helen Frankenthaler, Sea Level (1976), Sammlung Reinhard Ernst, Wiesbaden © Helen Frankenthaler Foundation, Inc. / VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Transkript anzeigen
00:00:00: Früher 1983 in Kyoto, Japan.
00:00:03: Helen sitzt in einem kleinen roten Taxi.
00:00:12: Sie ist 55 Jahre alt und trägt die Mode der Achtziger.
00:00:18: Eine Föhnfrisur, einen weißen Rollkram.
00:00:22: Das ist eine fünfte Zeit.
00:00:26: Eine große, runde Brille.
00:00:29: Diese verfinkelten Straßen.
00:00:33: Helen ist zum ersten Mal in Japan.
00:00:38: Sie hat den Weiten Weg auf sich genommen,
00:00:42: um mit einem echten Meister zu arbeiten.
00:00:52: * Musik *
00:00:55: Das Taxi hält vor einer kleinen, einstöckigen Werkstatt.
00:01:18: Miss Frankenthaler, willkommen in meiner Werkstatt.
00:01:22: Vor Helen steht ein Mann um die 40 mit einem freundlichen, ruhigen Gesicht.
00:01:28: Er ist kleiner als sie und trägt ein Hemd,
00:01:32: das er an den Armen hochgekrempelt hat.
00:01:36: Tadashi Toda führt sie in eine kleine, einstöckige Werkstatt,
00:01:41: in der sich große Maschinen, Holzblöcke, Farben und Pinsel
00:01:46: an die Decke stapeln.
00:01:48: Die Luft ist dumpf und warm.
00:01:51: Es riecht nach Papier, Holz und Farbpigmenten.
00:01:55: Danke, dass ich hier sein darf.
00:01:59: Diese Arbeit funktioniert nicht auf Distanz.
00:02:02: Ich muss es wirklich sehen, fühlen, mitentscheiden.
00:02:05: Der Prozess war ihnen zu distanziert von der künstlerischen Vision.
00:02:09: Äh, ja, genau.
00:02:12: Hier stellen wir das Papier her.
00:02:16: Nach traditioneller japanischer Art.
00:02:18: Das Waschipapier.
00:02:21: Schön.
00:02:23: Dieser leichte Rosaton.
00:02:26: Es ist aus der Rinde des Maulbärbaums, drei Tage lang eingekocht,
00:02:30: von Hand geschöpft und an drei Wochen getrocknet.
00:02:34: Damit werden die Holzblöcke zugeschnitten.
00:02:38: Feinste Bergkirsche.
00:02:41: Dann gehen sie an den Schnitzmeister.
00:02:46: Das sind ihre Blöcke.
00:02:48: 13 Stück.
00:02:50: So viele.
00:02:52: Anhand ihres Entwurfs hat ein Schnitzmeister jede einzelne Fläche geschnitzt.
00:02:57: Mehrere Wochen lang.
00:02:59: Mehrere Wochen?
00:03:01: Ein Block für jede Farbe.
00:03:03: Nur für das Schnitzen?
00:03:05: Ja.
00:03:07: Nichts hier ist schnell.
00:03:09: Das Holz braucht Zeit.
00:03:11: Wunderschön.
00:03:14: Das ist so schade, um es zu benutzen.
00:03:16: Sie werden sehen, was die Blöcke alles können.
00:03:19: Tadashi Toda ist Druckmeister in dritter Generation.
00:03:26: Einer der letzten verbleibenden Meister des Mokuhanga,
00:03:30: der jahrhundertealten Technik des japanischen Farbholzschnitz.
00:03:35: Eine Technik, die Bild für Bild wasserbasierte Farbe
00:03:39: auf Handgeschöpftes Papier druckt.
00:03:43: Diese Art des Druckes erfordert höchste Präzision
00:03:46: und unerschütterliche Geduld.
00:03:49: Fangen wir an.
00:03:53: Erste Farbe.
00:03:55: Blau.
00:03:57: Druckmeister Toda bestreicht einen der Blöcke.
00:04:00: Ungefähr 50 x 60 cm.
00:04:03: Mit spezieller pflanzlicher oder mineralischer Naturfarbe.
00:04:07: Dann greift er zu dem dünnen, aber widerstandsfähigen Papier.
00:04:13: Was ist das?
00:04:14: Ein spezielles Streichwerkzeug aus Holz und Bambusblättern.
00:04:18: Ein Bahren.
00:04:20: Jetzt heben wir vorsichtig ab.
00:04:23: Die Farbe ist ...
00:04:28: ... im Papier.
00:04:30: Nicht auf dem Papier.
00:04:32: Wie beim Soak and Stain.
00:04:34: Ja, ihr Stil ist zwar ganz anders.
00:04:37: Und trotzdem ist er verwandt.
00:04:43: Darf ich es mal versuchen?
00:04:45: Wichtig.
00:04:47: Nicht zu fest, nicht zu weich.
00:04:50: Das Reiben ist die Kunst.
00:04:53: Weicher, flüssiger, wie ein Tanz.
00:04:57: Das ist schwieriger, als es aussieht.
00:05:01: Wie gefällt es Ihnen?
00:05:09: Gut.
00:05:12: Die Farbe ist zu viel Farbe.
00:05:14: Ich will, dass der Druck am Ende ganz transcendent wirkt.
00:05:18: Nicht wie ein Druck, sondern wie ein gedrucktes Gemälde.
00:05:22: Dann fangen wir erneut an.
00:05:24: Ganz von vorne?
00:05:26: Ja, ein einziger Druck braucht hunderte Stücke Papier.
00:05:30: Über Tage hinweg entsteht ein neues Werk.
00:05:35: Block für Block.
00:05:38: Farbe für Farbe.
00:05:42: Das heißt, Cedar Hill.
00:05:44: Helen wagt sich an eine uralte Technik
00:05:47: mit ihrer modernen Handschrift.
00:05:50: Tradition und Gegenwart.
00:05:53: Westen und Osten in einem Bild.
00:05:56: Mein Name ist Tsaiwa Humsi.
00:06:04: Ich bin Journalistin und Moderatorin.
00:06:07: Ihr hört Frankenthala.
00:06:11: Wenn euch der Podcast gefällt,
00:06:13: empfiehlt ihr gerne weiter und gebt uns fünf Sterne.
00:06:17: Das hier ist die letzte Folge.
00:06:20: Move & Make.
00:06:22: In der letzten Folge wurden Helen Frankenthala
00:06:30: und Robert Motherwell zum golden Kappel der New Yorker Kunstszene.
00:06:34: Zusammen mit seinen Töchtern Lise und Jeannie
00:06:37: verbringen sie die Sommer in Provincetown.
00:06:41: Sie hat den Erfolg, auf den sie so lange hingearbeitet hat.
00:06:44: Aber dann kommt die Popart und läutet das Ende des abstrakten
00:06:48: Expressionismus ein.
00:06:50: Auch ihre Ehe mit Robert Motherwell zerbricht nach 13 Jahren.
00:06:54: Trotzdem schaut Helen nach vorn.
00:06:57: Sie probiert neue Materialien aus, verlässt New York
00:07:01: und lässt sich von der Natur inspirieren.
00:07:04: Mehr als je zuvor.
00:07:08: Nach der Trennung von Robert Motherwell
00:07:10: steht Helen plötzlich alleine da.
00:07:13: Und auch die New York School, ihre Kunstfamilie,
00:07:16: wie sie sie immer genannt hat, zerfällt.
00:07:19: Viele ihrer alten Weggefährd*innen ziehen sich zurück.
00:07:23: Sind nicht mehr künstlerisch tätig oder sogar schon verstorben.
00:07:27: Aber Helen will weitermachen.
00:07:30: Wenn die Dinge nicht in die richtige Richtung zu laufen scheinen,
00:07:35: um besser weiterzumachen und etwas zu schaffen,
00:07:38: das schrecklich aussieht, als zum Stillstand zu kommen.
00:07:42: Ich denke lieber, Bewege und Mache als stehen zu bleiben.
00:07:46: I would rather think and move and make than hold.
00:07:50: Vorankommen, neue Erfahrungen machen, das ist, was Helen jetzt braucht.
00:07:56: Move and make.
00:07:58: Elizabeth Smith, die Executive Direktorin
00:08:01: der Frankenthaler Foundation, kennt ihr schon.
00:08:05: Robert Motherwell in the early 70s.
00:08:07: In den frühen 70er-Jahren ließ sie sich von Robert Motherwell scheiden.
00:08:11: Und von da an veränderte sich ihr Leben auch ein Stück weit.
00:08:15: Aber sie malte weiterhin auf unglaublich interessante Weise.
00:08:19: Sie schuf einige ihrer größten, monumentarsten und heroischsten Gemälde.
00:08:24: Einige mit einer Länge von über 6 Metern.
00:08:27: Sie sucht gezielt nach Herausforderungen.
00:08:32: Ob riesige Formate, neue Medien oder Techniken, die sie noch nie ausprobiert hat.
00:08:36: Sie reist viel.
00:08:38: In London zum Beispiel entsteht ihre erste Metalskulptur
00:08:42: gemeinsam mit ihrem Freund Anthony Carrow, einem Bildhauer.
00:08:46: Schon seit den 60ern beschäftigt sie sich intensiv mit Druckgrafiken.
00:08:50: Sie fragt sich, wie unterschiedlich ist das eigentlich?
00:08:54: Ein Gemälde malen oder einen Druck herstellen?
00:08:57: Und wie ähnlich?
00:09:00: Und hinterhin weg sucht sie nach Erkenntnissen und Antworten,
00:09:03: bis sie schließlich zu Tadashi Toda nach Japan reist.
00:09:06: Sie ist von seiner Hingabe zur Technik und seiner Sorgfalt begeistert
00:09:10: und beginnt sich noch intensiver, mit der traditionellen Drucktechnik zu beschäftigen.
00:09:14: So sometimes these prints were years in the making.
00:09:20: Manchmal dauerte es Jahre, bis diese Druck gefertigt waren.
00:09:24: Sie gingen immer wieder hin und her zwischen Helen und den Druckwerkstätten.
00:09:29: Es ist also sehr interessant zu sehen, wie sie mit unterschiedlichen Materialien arbeiten konnte.
00:09:34: Dafür erhält sie von einer ganz anderen Kunstszene viel Aufmerksamkeit
00:09:38: und Anerkennung für ihre Arbeit.
00:09:40: Ihre unglaublich komplexen Holzschnitte machen Helen zu einer führenden Figur dessen,
00:09:45: was später die "amerikanische Druck-Renaissance" genannt wird.
00:09:49: And she was continuing to travel, to exhibit, to lecture.
00:09:57: Und sie reiste weiter um die Welt.
00:09:59: Steht aus, hielt Vorträge und Seminare und führte ein sehr vielseitiges Leben.
00:10:04: Für ihre Ausstellungen reiste sie in den 70er und 80er Jahren sogar bis nach Asien,
00:10:10: Australien, Südamerika und Mexiko.
00:10:13: Später wird sie sogar vom Royal Opera House in London eingeladen,
00:10:17: um Bühnbild und Kostüme zu designen.
00:10:20: Extreme Herausforderungen, die sie nur stemmen kann,
00:10:23: weil sie sich einen neuen Rückzugsort geschaffen hat.
00:10:27: Ein Ruhige Ort am Wasser, knapp eine Stunde nördlich von New York.
00:10:32: Herbst 2003, auf einer kleinen Halbinsel in der Nähe von Darion, Connecticut,
00:10:43: etwa eine Stunde nordöstlich von New York City.
00:10:47: Die Landschaft hier ist besonders, dichter Wald in dunklem Grün,
00:10:55: hügeliges Gelände und felsige Burten.
00:10:58: Davor reflektiert das Wasser die Nachmittagssonne
00:11:04: und taucht die Küste in ein weiches Licht.
00:11:07: Auf einer Terrasse direkt am Wasser steht Helen Frankenthaler.
00:11:14: Hinter ihr ein großes weißes Holzhaus, das nur von Wald umgeben ist.
00:11:21: Die ist Mitte 70 und vor einiger Zeit hierhergezogen.
00:11:24: Auf diese Insel namens "Contentment Island", die Insel der Zufriedenheit.
00:11:46: John, du bist früh dran.
00:11:48: Tja, das ist es also. Dein neues Haus in der Einsamkeit.
00:11:55: Ja, das ist es.
00:11:58: Es ist toll hier, direkt am Meer. Schwimmst du hier auch?
00:12:03: Fast jeden Morgen.
00:12:05: Du weißt ja, ich brauche einfach Wasser zum Leben und hier an den Steinen.
00:12:14: Guck mal, auf "Contentment Island" kann man sogar seine eigenen Ostern pflücken.
00:12:21: Ist das nicht verrückt.
00:12:24: Nicht schlecht.
00:12:26: Komm, ich zeig dir das Atelier.
00:12:29: Helen führt ihren Besucher in ein weißes Nebengebäude mit hoher Decke.
00:12:43: Licht fällt durch eine große Fensterfront in den Raum.
00:12:46: Malst du noch viel?
00:12:48: Natürlich. Bei so viel Inspiration.
00:12:52: Von diesem Fenster aus habe ich alles, was ich brauche.
00:12:56: Das Wasser, die Wolken und das Wetter.
00:13:00: Aber man darf es auch nicht übertreiben.
00:13:04: Wenn es stürmt, weißt du, dann kommt das Wasser bis hier hoch.
00:13:10: Einmal habe ich gemalt, bis ich nasse Füße bekommen habe.
00:13:14: Da konnte ich gerade noch zusammenpacken.
00:13:17: Sieh mal.
00:13:21: Ich arbeite nur noch auf Papier.
00:13:24: Das ist leichter.
00:13:26: Und du betonst die Horizontale mehr als früher?
00:13:31: Du wirst ja eine richtige Landschaftsmalerin.
00:13:35: Ich bitte dich, nur weil ich mich von der Natur und dem Licht inspirieren lasse,
00:13:40: mal ich noch lange keine Landschaften.
00:13:43: Und wo arbeitest du? Immer noch auf dem Boden?
00:13:47: Oder hast du dir endlich eine Staffel Leih gekauft?
00:13:50: Mir kommt keine Staffel Leih ins Haus.
00:13:53: Aber auf dem Boden malen, oh, das ist an meinem Alter etwas mühsam.
00:13:58: Ich habe mir etwas einfallen lassen.
00:14:01: Guck mal.
00:14:04: Mit 25 mühte ich mich am Boden ab.
00:14:06: Mit 75 stehe ich drüber.
00:14:09: Du arbeitest jetzt im Stehen?
00:14:12: Ja, weißt du, jetzt muss ich mich nicht mal mehr bücken, um zu erobern.
00:14:17: Helen Frankenthaler zieht in ein großes, einsam gelegenes Haus direkt am Ozean.
00:14:32: Sie hat es in Stamford genug, anders als im Engen und dicht besiedelten New York.
00:14:36: John Elder fiel?
00:14:38: And I think she had this idea that she wanted more space.
00:14:43: Sie hatte das Gefühl, dass sie mir Platz brauchte.
00:14:47: Außerdem lebte sie noch in dem Haus, in dem sie mit Motherwell gewohnt hatte.
00:14:52: Und sie fühlte einfach, dass sie etwas anderes machen wollte.
00:14:56: Sie fühlte, dass es Zeit für sie war, aus der Stadt herauszukommen.
00:15:01: Sie wollte nicht irgendwo hinziehen, wo es viele Kunstschaffende gab.
00:15:05: Ich glaube, deshalb ist sie nach Connecticut gezogen.
00:15:09: Das Innere sich lösen von Motherwell und der räumliche Wechsel in die Natur
00:15:14: wird auch in ihren Werken der 80er und 90er Jahre sichtbar.
00:15:18: Sie malt meist nicht mehr direkt auf die ungrundierte Leinwand wie bei der Soak & Stain Technik,
00:15:23: sondern färbt sie zuvor in einem Grundton ein.
00:15:26: Darauf trägt sie dann Schicht für Schicht, verschiedene Farben und Effekte auf.
00:15:31: Sie ist aber mit Lack oder Perlglanzpigmenten.
00:15:34: Sie war dort sehr produktiv.
00:15:38: Einige der Werke aus dem letzten Teil ihrer Karriere sind ganz außergewöhnlich.
00:15:44: Man spürt bei ihr ein Gefühl der Befreiung.
00:15:48: Sie erlaubt sich, sie selbst zu sein, alles auf die Leinwand zu werfen.
00:15:53: Auf eine Art und Weise, die ziemlich neu ist.
00:15:58: Die Bilder werden einfach taktiler, weniger eingefärbte Flecken
00:16:02: und mehr Farbe auf der Leinwand in einer sehr reichhaltigen, malerischen Weise.
00:16:07: Nicht nur die Art, wie sie arbeitet, verändert sich, sondern auch das, was zu sehen ist.
00:16:17: Die atemberaubende Natur, die sie nun in Connecticut umgibt, findet ihren Weg auf die Leinwand.
00:16:24: So auch bei dem Bild Regatta aus der Sammlung des Museum Rheinhard Ernst.
00:16:28: Lea Schiefer, die Kuratorin des MRE.
00:16:32: Ein ganz tolles Querformat, in dem sie auch sich entschieden hat,
00:16:36: erst mal die Leinwand in einem Farbton, einem Grundton, einem Blauton anzulegen.
00:16:40: Und spannend ist dann zu beobachten, dass die Linie, die ja so unglaublich wichtig war in den 1950er Jahren,
00:16:47: auch in den 1980er Jahren eigentlich wieder vorkommt.
00:16:52: Aber quasi haptisch körperhaft auf der Leinwand und bleibt stehen,
00:16:56: ist also gar nicht mehr die Zeichnung, die sich irgendwie in das Gewebe hineinlegt,
00:17:00: sondern sie bleibt als körperhafte auf der Leinwand stehen.
00:17:05: Die Bilder wirken landschaftlicher durch die Betonung der horizontalen Linie,
00:17:13: auch wenn Landschaftsmalerei für sie als abstrakte Malerin immer ein schwieriges Wort ist.
00:17:19: Weil man dadurch ganz schnell natürlich damit beschäftigt ist,
00:17:23: in der Landschaft Dinge zu lesen und damit dann vielleicht gar nicht die Qualität des eigentlichen Gemäldes sieht.
00:17:30: Und deshalb hat sie für uns da immer so kleine Kniffe mit eingebaut,
00:17:34: wahrscheinlich auch um sich selbst immer wieder zu überraschen.
00:17:38: Es sind diese Kniffe und Entscheidungen, die ihre Werke spannend machen.
00:17:42: Das Museumsteam aber ebenso vor Herausforderungen stellen.
00:17:47: Denn häufig beginnt sie zu dieser Zeit auf einem riesigen Stück Leinwand einfach drauf loszumahlen.
00:17:52: Erst später entscheidet sie, welcher Bildausschnitt das eigentliche Werk werden soll.
00:17:56: Den Rest schneidet sie einfach weg.
00:17:59: Ein gutes Beispiel dafür ist das Cover dieses Podcasts, See Level.
00:18:03: Und irgendwann schaut man dann auf die Beschreibung, liest okay, See Level,
00:18:08: wo ist denn jetzt hier der Meeresspiegel.
00:18:12: Und dann haben wir zum Glück das Bild im Depot und können uns das sozusagen auch von der Rückseite anschauen.
00:18:16: Und darüber ist uns dann aufgefallen, dass sie nachträglich wohl das Bild ins Hochformat gekippt hat
00:18:23: und zunächst eigentlich als Querformat gemalt hatte.
00:18:26: Das ist sozusagen mit einem roten Bundstift von ihr auf der Rückseite markiert worden.
00:18:41: Im Jahr 2000er-Jahre arbeitet Helen Frankenteiler nicht mehr auf Leinwänden auf dem Boden.
00:18:45: Auch weil dieses gebückte Tanzen mit schweren Farbeilmann um riesige Leinwände auf Dauer extrem anstrengend ist.
00:18:53: Stattdessen arbeitet sie auf großen Papierbögen, auf einem extra dafür angefertigten Tisch.
00:18:58: Und sie produziert ihre bisher aufwendigsten Farbholzschnitte.
00:19:03: Einige der allerletzten Dinge, die sie gemacht hat, das waren große Holzschnitte, einige von ihnen erforderten unglaublich viel Arbeit,
00:19:19: das Zersägen der einzelnen Teile, das Neuzusammensetzen, das Anfertigen der Druck und die Entscheidung, welche davon tatsächlich veröffentlicht werden sollten.
00:19:30: Und ich glaube, die Leute waren wirklich erstaunt, dass Helen diese Dinge produzieren konnte.
00:19:36: Im Jahr 2000, mittlerweile ist sie 72 Jahre alt, zeigt sie die Druckserie "Madam Butterfly".
00:19:44: Mit dieser Arbeit holt sie eine uralte Tradition in die Gegenwart und in die abstrakte Kunst.
00:19:50: Heute gelten ihre Drucker als genauso revolutionär für den Farbholzschnitt wie damals "Mountains NC" für die Malerei.
00:20:00: Sie fand heraus, dass sie das zu tun hatte.
00:20:10: Ich meine, ich weiß nicht, wie ich es sonst beschreiben soll. Die ersten paar Drucke waren nicht sehr gut.
00:20:17: Aber dann, als sie anfingen, sich darauf einzulassen, wurden es wirklich ganz außergewöhnliche Drucke.
00:20:24: Und anders als alles, was irgendjemand je zuvor gemacht hatte.
00:20:29: Es gelingt ihr auch noch sehr spät in ihrem Leben offen, für das Neue und die Veränderung zu bleiben.
00:20:34: April 2012 in New York City. Die große, ehrwürdige Eingangshalle des Metropolitan Museum,
00:20:47: ein festlicher, großer Raum aus Marmor, voller Säulen, Verzierungen und Kronleuchtern.
00:20:55: Doch der Raum ist in gedämpftes Licht getaucht. Eine Bühne, ein Rednerpult, Menschen in dunklen Anzügen unterhalten sich leise.
00:21:06: Vorne auf der Bühne ist ein schwarz-weiß Porträt von Marmor.
00:21:11: Helen Frankenthaler aufgestellt.
00:21:12: Sie ist im 27. Dezember 2011 im Alter von 83 Jahren verstorben.
00:21:19: Es ist Hellens Gedenkveranstaltung.
00:21:23: Ganz hinten an der Balustrade der großen Treppe steht John Elderfield.
00:21:38: Er blickt über die Versammlung in den Händen ein paar Notizen.
00:21:42: Eine ältere Frau in einem schwarzen Kleid und einem passenden Hut kommt auf ihn zu.
00:21:49: John, du siehst nervös aus.
00:21:53: Ich bereite mich auf meine Rede vor.
00:21:56: Ich hoffe, ich treffe den richtigen Ton.
00:21:59: Helen hätte keine traurige Andacht gewollt, sondern eher Champagner.
00:22:06: Die erste Regel ist, keine Regeln.
00:22:09: Das war doch ihr Motto.
00:22:12: Ich habe versucht, Hellens Persönlichkeit gut zu beschreiben.
00:22:17: Dicköpfig, aber charmant.
00:22:20: Irgendwie bourgeois, aber auch total unangepasst.
00:22:24: Sie war nicht immer einfach, aber trotzdem immer liebenswert.
00:22:29: Vor ihnen rein sich die Stühle.
00:22:35: In der ersten Reihe der Maler Frank Stella und der Bildhauer Anthony Carrow,
00:22:39: der berühmte Architekt Richard Meyer, die Schriftstellerin Francine Duplessigré,
00:22:45: die Direktoren des MoMA und des National Museum of Art,
00:22:49: der damalige Bürgermeister Michael Bloomberg
00:22:53: und auch Hellens Ziedhächter Jeanie und Liz Motherwell.
00:22:57: All diese Menschen.
00:23:04: Schön, dass so viele gekommen sind.
00:23:06: Aber auch schade, dass so viele Menschen, die ihr wichtig waren,
00:23:10: selbst nicht mehr leben, um heute hier sein zu können.
00:23:13: Robert Motherwell oder Grace Hartigan.
00:23:17: Oder Lee Kressner, Friedl Schubertz, Hans Hoffmann.
00:23:22: Oh mein Gott, das wäre eine wilde Party geworden.
00:23:26: Du solltest langsam rüber.
00:23:34: Ich glaube, du bist gleich dran.
00:23:36: Ja.
00:23:38: John Elderfield geht auf die Bühne zu.
00:23:46: Durch eine Halle voller Menschen,
00:23:50: die in Helen Frankenthaler nicht nur eine Pionieren der Malerei sahen,
00:23:55: sondern jemanden, der das Leben geliebt hat.
00:24:00: Mit all seinen Farben, Brüchen, Übergängen.
00:24:30: Am 27. Dezember 2011,
00:24:42: nur zwei Wochen nach ihrem 83. Geburtstag,
00:24:46: stirbt Helen Frankenthaler in ihrem Haus in Connecticut
00:24:50: nach langer Krankheit.
00:24:53: Sie hinterlässt hunderte Werke aus unterschiedlichsten Zyklen
00:24:58: über einen Schaffenszeitraum von mehr als 60 Jahren.
00:25:01: Elizabeth Smith,
00:25:04: Executive Direktorin der Helen Frankenthaler Foundation.
00:25:07: Leute, die sie in verschiedenen Lebensphasen kannten,
00:25:11: sagen alle über sie,
00:25:14: dass sie sehr taf sein konnte, sehr entschlossen.
00:25:18: Manchmal auch sehr unangenehm,
00:25:21: aber sie hatte auch diese unglaublich herzliche Seite.
00:25:26: Das Gefühl von Verspieltheit, Spaß, Freude.
00:25:30: Sie war also eine komplizierte Person.
00:25:34: Und ich glaube, im Alter behält sie das bei.
00:25:37: Was in der Verwaltung ihres Nachlasses besonders auffällt,
00:25:41: zum Zeitpunkt ihres Todes interessieren sich bei Weitem
00:25:44: nicht so viele Menschen für ihr Werk wie heute.
00:25:47: She was considered at the time of her death a bit old hat.
00:25:53: Zum Zeitpunkt ihres Todes war sie ein bisschen ein alter Hut.
00:25:57: Sie war nicht mehr ganz oben im Diskurs.
00:26:00: Als ich 2013 begann, war ich erstaunt,
00:26:03: dass zu dieser Zeit kein großes Museum in New York ihre Werke ausstellte,
00:26:08: obwohl alle von ihnen bedeutende, wirklich wunderbare Bilder von ihr besitzen.
00:26:13: Heute sieht man immer mehr Frankenthalers in Ausstellungen weltweit.
00:26:18: Woran liegt es also, dass ihre Kunst seitdem vor allem
00:26:22: von einer neuen, jüngeren Generation wieder entdeckt wird?
00:26:26: Jason Eisenberg ist Direktor bei der Gagosian Gallery,
00:26:31: der größten Galerie der Welt.
00:26:33: Er ist Experte für den Kunstmarkt und hat diesen Wandel miterlebt.
00:26:38: Ich habe eine Ausstellung von Frankenthalers Spätwerk,
00:26:41: also Arbeiten aus den 90er Jahren, organisiert.
00:26:44: Ich habe vor ein paar Jahren eine Ausstellung von Frankenthalers Spätwerk,
00:26:48: also Arbeiten aus den 90er Jahren organisiert.
00:26:52: In einer Galerie in New York.
00:26:54: Und ich verneugierig und aber auch ein bisschen skeptisch,
00:26:57: wer zur Eröffnung kommen würde.
00:26:59: Wissen Sie, Galerien in New York haben eine Art Anhängerschaft.
00:27:03: Viele Leute kommen zu ihnen, ob sie sich nun wirklich für die Arbeiten interessieren oder nicht.
00:27:08: Es geht einfach darum, dass es ein Event ist.
00:27:11: Also dachte ich, okay, es werden schon Leute kommen.
00:27:15: Wir hatten etwa 1.600 Gäste.
00:27:20: Und ich würde sagen, dass 80% von ihnen noch nicht einmal geboren waren,
00:27:23: als diese Bilder gemalt wurden.
00:27:25: Das hat mich sehr gefreut zu sehen bei einer Künstlerin, die bereits verstorben ist,
00:27:29: die alt ist, die einer ganz anderen Generation angehört,
00:27:33: als die meisten Leute, die bei der Eröffnung waren.
00:27:36: Sie hat eine enorme Relevanz für ein junges Publikum, das unter 30 Jahre alt ist.
00:27:47: Eine Person, die sie schon lange vor ihrem gegenwärtigen Hype auf dem Schirm hatte,
00:27:51: ist ihr größter privater Sammler.
00:27:53: Schon seit Jahrzehnten ist er begeistert von Helen Frankenthaler.
00:27:56: 2025 im Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden.
00:28:02: Der Unternehmer- und Kunstsammler Reinhard Ernst steht in einem 14 Meter hohen, strahlend weißen Raum.
00:28:09: Wir wollten einen Raum haben, der über zwei Stockweige geht,
00:28:12: wo man wirklich ein großes Gefühl hat.
00:28:16: Deshalb wird er von unseren Mitarbeitern, ist er am Anfang Kathedrale genannt worden,
00:28:19: weil er so ein, ja, wie eine Kirche auch.
00:28:22: Es geht nach oben, da hat auch noch hier diesen richterförmigen Teil.
00:28:27: Ganz oben ist Tageslicht.
00:28:29: Die Kathedrale soll so gigantisch sein, wie die riesigen abstrakten Bilder, die darin hängen.
00:28:35: Nichts soll von der Kunst ablenken.
00:28:37: Reinhard Ernst betrachtet das Bild Spanning von 1971,
00:28:43: ein fast vier Meter breites Gemälde.
00:28:46: Ein Bild, das ihr aus der letzten Folge bereits kennt
00:28:48: und in dem Frankenthaler mit Leere und Volumen balanciert.
00:28:52: Ich habe es einfach gekauft, weil ich dachte, das ist so ein Wahnsinnsbild,
00:28:56: dass man überhaupt den Mut hat.
00:28:58: Wer macht ein Bild und lässt so viel in der Mitte frei,
00:29:03: den Mut, ein Teil des Bildes wirklich freizulassen und nur Farben zu verbinden,
00:29:09: mit hier, mit den Ströchen.
00:29:11: Und das habe ich vorher noch nie gesehen, hat doch keiner gemacht vorher.
00:29:17: Seit über 40 Jahren sammelt Ernst abstrakte Kunst
00:29:20: und er erinnert sich noch genau an den Nervenkitzel, als er Spanning gekauft hat.
00:29:25: Ich wollte es haben.
00:29:27: Und was ich dann bekommen hatte, war, der erste Gedanke war eigentlich nicht toll,
00:29:32: dass ich es habe.
00:29:34: Der erste Gedanke war in dem Moment, Mensch, hoffentlich war das richtig.
00:29:39: Da war richtig, man hat so viel Geld ausgegeben.
00:29:45: Das ist irgendwann, ja, heute kann man sagen, ja, das war mehr als richtig.
00:29:49: Aber für mich war klar, dass ich solche Bilder nicht für mich kaufe,
00:29:53: sondern für allgemeinheit kaufe und auch der allgemeine zur Verfügung stehe.
00:29:57: Im Sommer 2024 eröffnet dann das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden.
00:30:04: Ein Museum für moderne Kunst in einem modernen Gebäude,
00:30:08: entworfen vom japanischen Stararchitekten Fumihiko Maki,
00:30:13: einem langjährigen Freund von Reinhard Ernst.
00:30:16: Aber von den WiesbadenerInnen wird es liebevoll Zuckerwürfel genannt,
00:30:20: wegen seiner quadratischen hellen Form und der weißen, leicht glitzenden Fassade.
00:30:25: Das MRE ist das einzige Museum in Deutschland,
00:30:30: das sich ausschließlich abstrakter Kunst widmet.
00:30:33: Hier ist Helen Frankenthaler erstmals in Europa umfassend und dauerhaft zu sehen.
00:30:38: Und das Interesse ist groß.
00:30:41: Allein in den ersten sechs Monaten, nach der Eröffnung,
00:30:44: sind über 100.000 Besucher*innen gekommen.
00:30:47: Aber warum eigentlich?
00:30:49: Worin liegt der Reiz dieser Kunst, auf der man ja eigentlich nichts erkennen kann?
00:30:56: Keine Figur, kein Objekt.
00:30:58: Der Direktor des MRE, Oliver Kornhoff.
00:31:01: Die Frage, die mir ganz oft gestellt wird,
00:31:06: ist, was hat denn das mit mir zu tun?
00:31:09: Ganz viel mit dir zu tun.
00:31:10: Denn bei der abstrakten Kunst musst du nicht zwei Meter Kataloge lesen
00:31:14: und drei Hochschulstudiengänge gemacht haben,
00:31:17: bis du verstehst, was da zu sehen ist.
00:31:20: Denn du bringst schon ganz viel mit zum Verständnis dieser Kunst,
00:31:24: weil du hast neben deinem Augen und neben deinem Intellekt,
00:31:28: hast du einen ganzen Körper, der dein somatisches Sensorium ist.
00:31:33: Der Einstieg ist, glaube ich, ein viel leichterer.
00:31:38: Es ist absolut atemberaubend, wenn man dann entlangschreit
00:31:41: und erst mal feststellt, ich brauche schon meine Zeit,
00:31:44: um diese fünf Meter allein schon abzuschreiten.
00:31:46: Erst dann begreift man, was auch für eine Bewegung gefragt ist,
00:31:50: wenn man sozusagen die Leinwand auf die Boden legt,
00:31:53: sozusagen die Bühne damit betritt und darauf dann agiert.
00:31:56: In dem Museum sind nicht nur Bilder von Helen ausgestellt,
00:32:02: sondern auch von den Menschen, die sie auf ihrem Weg begleitet haben.
00:32:06: KURATORIN LEA SCHEFER
00:32:07: Das Schöne im Museumrein hat Ernst,
00:32:10: ist ja, dass wir Helen Frankenthaler
00:32:13: als weltweit größtes Privatsammlung nicht isoliert im Depot haben,
00:32:17: sondern dass wir eben ganz viele Werke
00:32:21: von befreundeten Künstler*innen auch in der Sammlung haben
00:32:25: und damit die einzigartige Möglichkeit,
00:32:27: auch fernab von Ausstellungen Helen Frankenthaler
00:32:31: in der Sammlung im Kontext ihrer Zeit genossen zu zeigen.
00:32:36: Helens Bilder hängen hier neben den Werken der Malerinnen und Maler,
00:32:39: mit denen sie befreundet war und von denen sie gelernt hat.
00:32:42: Hans Hofmann, Lee Kressner, Adolf Gottlieb oder Robert Motherwell.
00:32:46: Und neben den Menschen, die sie später inspiriert hat,
00:32:50: wie Friedel Jubas, Maurice Lewis, Kenneth Noland oder Frank Stella.
00:32:55: So kann die Ausstellung "Move and Make"
00:32:59: Helens Geschichte erzählen und ihre Philosophie weitergeben.
00:33:02: Immer machen, niemals stehen bleiben.
00:33:06: Der Titel unserer Ausstellung verkörpert für uns
00:33:09: Helen Frankenthalers künstlerisches Selbstverständnis.
00:33:12: Was ganz stark davon geprägt ist,
00:33:15: sich nicht, wie wir sagen würden, auf den eigenen Lorbeeren,
00:33:19: auf der eigenen Erfolgsmasche auszuwohnen.
00:33:22: Und es gibt ganz charakteristische Moves
00:33:26: im Sinne von körperlicher Bewegung, aber auch "Move" im Sinne von Haltung,
00:33:31: indem sie beispielsweise zu den ersten gehört,
00:33:35: die Leinwand auf den Boden legt.
00:33:37: Das ist ein folgenreicher Move, da war sie nicht die einzige in der Zeit,
00:33:41: aber sie gehörte zu den ersten.
00:33:44: Und ihr Making, das Machen, das Verfertigen eines Kunstwerks,
00:33:48: erfindet sie, wenn man sie will, von Grund auf neu.
00:33:51: Weil sie nämlich auf diese, auf dem Boden liegende Leinwand
00:33:55: die Farbe direkt aus dem Eimer schüttet.
00:33:59: Das heißt, Frankenthalers Making erhebt die Farbe
00:34:04: zur künstlerischen Komplizin.
00:34:06: Entscheidend also ein Move und entscheidend neu für ein Making,
00:34:11: was folgenreich bis in die Kunst der Gegenwart war.
00:34:15: Bis heute bestehen Helen Zwerg, ihre Ideen, ihre Philosophie weiter
00:34:24: in den Arbeiten unzähliger zeitgenössischer Künstler*innen.
00:34:28: Unter anderem Katharina Grosse, Jenny Brozinski,
00:34:33: Jaquen oder Adrian Schieß nennen Helen Frankenthaler als Vorbild
00:34:36: und finden bei ihr Inspiration.
00:34:39: Ihre Bilder wirken bis heute so, als wären sie erst gestern gemalt worden.
00:34:43: Ihr Werk ist gewissermaßen offen.
00:34:46: Jeder und jede kann ihre Ideen und Methoden aufgreifen,
00:34:49: für sich neu interpretieren und damit eine eigene Handschrift entwickeln.
00:34:53: Helens Geschichte ist noch lange nicht auserzählt.
00:35:01: Die Abstraktion hat natürlich den großen Reiz,
00:35:05: dass sie international lesbar ist.
00:35:08: Aber auch das reicht nicht, weil abstrakte Kunst
00:35:11: hat immer eine große Gefahr.
00:35:14: Sie kann zu dekorativ werden.
00:35:17: Und viele der abstrakten Maler der letzten Jahrzehnte
00:35:21: verschwinden auch wieder, wenn ihre Kunst dann doch zu oft
00:35:25: vom dekorativen Element geprägt ist
00:35:29: von der großen Passion der großen Leibenschaft.
00:35:32: Schon mit 21 Jahren weiß Helen, dass sie Malerin werden möchte.
00:35:36: Als sie in einer Ausstellung von Pollock erstmals selbst empfindet,
00:35:40: wozu abstrakte Kunst fähig ist, ist sie sich sicher,
00:35:43: dass sie in dieser Welt leben möchte.
00:35:46: In dem Kontext ihrer Zeit ist das fast so,
00:35:49: als würde man im Kindergarten Astronaut werden wollen
00:35:52: und dann tatsächlich zum Mond fliegen.
00:35:56: Ich meine, es ist eine wirklich erstaunliche Erfahrung,
00:36:00: jemanden zu sehen, der jahrzehntelang
00:36:03: kontinuierlich und kreativ gearbeitet hat.
00:36:06: Das ist sehr, sehr selten.
00:36:08: Und ich glaube, das ist etwas,
00:36:11: das den Leuten erst dann wirklich bewusst wird.
00:36:14: Das ist eine Person, die schon früh
00:36:17: wirklich außergewöhnliche Bilder gemacht hat
00:36:20: und dann immer, immer weiter gemacht hat.
00:36:27: Sie schafft es, sich in einer männlich dominierten Kunstszene
00:36:30: voller großer Egos und gesellschaftlicher Umbrüche zu behaupten.
00:36:34: Mit ihrem Charme, mit ihrer Hartnäckigkeit
00:36:37: und mit ihrem Talent besteht sie vor den mächtigsten
00:36:40: Kunstkritikern der Weltmetropole.
00:36:43: Und zwar nicht mit einer harten, gestischen Malweise,
00:36:47: wie viele ihrer Kolleg*innen, sondern weil sie sich traut,
00:36:50: sich zu offenbaren und die Farbe, die Natur, Harmonie
00:36:55: und Disharmonie auf die Leinwand bringt.
00:36:57: Helen Frankenthaler ist eine der Künstler*innen,
00:37:00: die bleiben wird.
00:37:02: Florian Elias.
00:37:04: Auch weil ihre Bilder zwar immer wieder
00:37:08: als schön angesehen werden können,
00:37:11: aber sie sind auch immer wieder borstig.
00:37:14: Es gibt immer eine Farbe, die man dort nicht erwartet.
00:37:18: Es gibt immer wieder solche schwarzen Stellen.
00:37:21: Es gibt immer wieder Farbverläufe,
00:37:24: der reinen Harmonielehre widersprechen
00:37:26: und diese kleinen Wackeler in ihrer Kunst.
00:37:29: Diese ästhetischen Wiederhaken, die sie permanent gesetzt hat,
00:37:33: die halten ein Werk frisch.
00:37:35: Ihr ganzes Leben lang ist Helen eine Vermittlerin
00:37:40: zwischen der neuen und der alten Welt.
00:37:43: Und das zu einer Zeit, in der es keine Handys gibt,
00:37:46: kein Internet und man zum Reisen noch Tage
00:37:49: auf einem Schiff verbringen muss.
00:37:53: Viele ihrer größten Höhepunkte und tiefsten Krisen
00:37:56: verbringt sie in Europa.
00:37:58: Auf dem Atlantik-Dampfer, als sie von allen isoliert ist,
00:38:02: in den Höhlen von Alta Mira bei ihrer Hochzeitsreise
00:38:05: oder an den Kanälen von Venedig bei der Bienale.
00:38:09: Sie sucht immer wieder Inspiration bei den europäischen Meistern
00:38:13: und findet damit ihre eigene Handschrift.
00:38:16: Was mich immer wieder verblüfft ist, wie zart Farben sein können,
00:38:21: und wie es am Eindrucksvollsten bewiesen wird.
00:38:23: Wie es ihr gelungen ist,
00:38:25: das Licht aus der Natur auf die Leinwand zu holen.
00:38:29: Sie wirken wie vom Licht gemalt sehr oft.
00:38:32: Das Licht ist natürlich die größte und wichtigste Regisseurin
00:38:37: in der gesamten europäischen Landschaft zum Allerei.
00:38:40: Sie führt dann eben dieses Licht nach Amerika
00:38:44: und gibt ihm eine ganz neue Rolle bei der Regie ihrer Leinwände.
00:38:52: Aber ihren Ruhepul findet Helen letztlich in der Natur,
00:38:55: in der Landschaft, im Meer.
00:38:58: Ob als angehende Malerin in der Summer-School bei Hans Hofmann
00:39:02: als liebevolle Stiefmutter beim Eisessen in Provincetown
00:39:06: oder als ältere Dame beim Ausdammflücken in Connecticut.
00:39:10: Das Wasser ist immer bei ihr.
00:39:13: Die Autorin Katie Hesse kennt ihr bereits.
00:39:21: Das Wasser ist fundamental, wirklich.
00:39:23: Es ist so eindringlich und so in Harmonie mit der Natur, der Landschaft.
00:39:27: Auch als der Zeitgeist sich weiterdreht
00:39:30: und viele ihrer Kolleg*innen in ein tiefes Loch fallen, macht Helen weiter.
00:39:34: In Vorlesungen verteidigt sie die Malerei.
00:39:37: In Werkstätten auf der anderen Seite der Welt schnitzt sie Holzblöcke.
00:39:42: Und an ihrem riesigen Tisch revolutioniert sie die Kunst noch mit über 70.
00:39:51: Das war Frankenthaler.
00:40:21: Frankenthaler ist eine Produktion von StudioJ
00:40:25: und dem Museum Reinhard Ernst 2025.
00:40:29: Mit Reinhard Ernst, Oliver Kornhoff, Lea Schäfer, Mary Gabriel,
00:40:35: Katie Hesse,
00:40:51: Dominic Seidl, Elizabeth Smith, Lise Motherwell,
00:40:54: John Elderfield, Florian Ilias, Jason Isenberg.
00:41:00: Es sprachen Ulrike Hübschmann, Timo Weisschnur, Marc Benpuch,
00:41:06: Christian Sokko, Walburgareder, Felia Krause, Olaf Baden,
00:41:13: Irina von Brisch, Benjamin Stöver, Alex Dudel.
00:41:19: Und auch Regie Friederike Wigger.
00:41:21: Executive Producerin für das Museum Reinhard Ernst,
00:41:25: Katrin Grün, Ines Gutieres.
00:41:28: Für StudioJ, Executive Producer, Janis Gebhardt.
00:41:33: Producerin, Helene Feldmayer.
00:41:36: Autoren, Kilian Matsurek, Janis Gebhardt.
00:41:40: Superwising Sound Designer, Sufián Auda, Florian Balma.
00:41:46: Sound Designer, Fanny Huda, Karl Hangschlitt.
00:41:49: Produktionsassistenz, Alexander Hemsen.
00:41:53: Mix and Master, Fabian Klinke.
00:41:56: Grafik, Vanessa Neumann.
00:41:59: Mitarbeiter, Philippa Halter.
00:42:02: Social Media Redaktion, Vanessa Neumann, Axinia Dorn.
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